Mit Beschluss vom heutigen Tag hat das OLG München die erst vor drei Wochen in Vollzug gesetzten Haftbefehle gegen die Angeklagten Dr. Aydin, Dr. Büyükavci und Herrn Solmaz erneut außer Vollzug gesetzt.
Seit dem Juni 2015 wird vor dem OLG München ein Verfahren gegen zehn türkisch- und kurdischstämmige Angeklagte geführt. Ihnen wird gemäß § 129 b StGB eine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Konkret wird den Angeklagten vorgeworfen, das Auslandskomitee der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) gebildet zu haben.
Nachdem in der Zwischenzeit die Haftbefehle gegen acht der zehn Angeklagten aufgehoben bzw. außer Vollzug gesetzt worden sind, wurden im Juni 2019 gegen drei der Angeklagten die Haftbefehle wieder in Vollzug gesetzt. Vorgeworfen wurden Dr. Aydin, Dr. Büyükavci und Herrn Solmaz, sich entgegen der Auflagen in Griechenland aufgehalten zu haben und dort an einem Parteikongress der TKP-ML teilgenommen zu haben.
Die von dem Generalbundesanwalt und dem Bundeskriminalamt zur Begründung der erneuten Inhaftierung vorgelegten Unterlagen basierten allein auf Spekulationen und Unwahrheiten. Verschwiegen wurde seitens der Ermittlungsbehörden u. a., dass sich aus Internetveröffentlichungen ergibt, dass es offensichtlich zu einer Spaltung der Organisation in eine „TKP/ML“ und eine „TKP-ML“ gekommen ist. Verschwiegen wurde weiterhin, dass es auf der bisher der Vereinigung zugerechneten Webseite von einem Parteikongress vom „Januar“ gesprochen wird; das BKA aber behauptet, sie hätten im April 2019 an einem solchen Kongress teilgenommen. Obwohl diese Angaben öffentlich und frei verfügbar im Netz sind, haben die Ermittlungsbehörden diese Unterlagen dem Gericht gegenüber nicht bei Stellung des Haftantrages mitgeteilt.
Erst auf entsprechende Stellungnahme der Verteidigung wurde dieser Widerspruch offenkundig, so dass sich das Gericht gezwungen sah, seine ursprüngliche Annahme zu revidieren und die Haftbefehle wieder außer Vollzug zu setzen.
Besonders bedenklich ist, dass sich der GBA und das BKA in ihrer „Beweisführung“ auch auf Berichte von dem rechten Think Tank „Gatestone Institute“ beziehen und deren „Erkenntnisse“ als „allgemeinkundig“ bewerten. Das „Gatestone Institute“ wird von der Neuen Rechten als vermeintliche Quelle benutzt und zeichnet sich vor allem durch die Verbreitung von Fake News und islamfeindliche Hetze aus.
„Nachdem schon problematische Unterlagen aus der Türkei in das Verfahren eingeführt worden sind, wird jetzt von den Ermittlungsbehörden schon auf ‚Erkenntnisse“ von rechten Fake-News-Webseiten zurückgegriffen. Das wirft ein erschreckendes Bild auf GBA und BKA“, erklärt Dr. Stolle, Verteidiger von Frau Dr. Büyükavci. Rechtsanwalt Ziyal ergänzt: „Für Frau Dr. Büyükavci als praktizierende Psychiaterin am Klinikum Nürnberg und aktives Mitglied im Verdi-Landesmigrationsausschuss stellte die Verhaftung einen erneuten heftigen Einschnitt dar. Dieses Kapitel wirft kein gutes Licht auf das BKA, das letztlich mit unbelegten Behauptungen für die neuerliche Inhaftierung sorgte. “