Pressemitteilung der Verteidigung in dem Münchener Kommunistenverfahren

Verteidigung erstattet beim Generalbundesanwalt Strafanzeige wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit türkischer Sicherheitsbehörden in Deutschland

Seit dem 17. Juni 2016 findet vor dem OLG München die Hauptverhandlung gegen zehn mutmaßliche Mitglieder der „Kommunistischen Partei der Türkei/ Marxisten-Leninisten“ (TKP/ML) statt. Diesen wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen.

Bereits am Hauptverhandlungstag vom 23. Januar 2017 hat die Verteidigung der Einführung eines Dokumentes einer türkischen Polizeibehörde, das offensichtlich u.a. auf geheimdienstlichen Informationen, die mutmaßlich durch den türkischen Geheimdienst (MIT) in Deutschland gewonnen worden sind, widersprochen. Es finden sich in dem Dokument u.a. Angaben zu der Anzahl der mutmaßlichen Mitglieder der TKP/ML und ihrer Sympathisanten in Deutschland. Ferner sind in dem Dokument Adressen von Vereinen in Deutschland aufgeführt, teilweise ergänzt durch die Namen von Vorstandsmitgliedern, deren Geburtsdatum und deren Wohnort sowie die Adressen, an denen die Vereine ihren Sitz haben sollen. Des Weiteren finden sich dort Namen von mutmaßlichen Mitgliedern der TKP/ML nebst Passnummern. In diesem Dokument wird auch unverblümt darauf hingewiesen, dass diese Erkenntnisse aus „geheimdienstlichen Informationen“, also mutmaßlich aus gem. § 99 StGB strafbarer geheimdienstlicher Agententätigkeit, stammen.

Auf diesen Umstand hat die Verteidigung in der Hauptverhandlung hingewiesen. Sowohl der Vertreter der Bundesanwaltschaft als auch der zuständige Senat des OLG München sahen in der Verwertung bzw. in der Einführung dieser Informationen als Beweismittel gegen die Angeklagten keinerlei Probleme.

Die Sichtweise deutscher Sicherheitsbehörden auf diese strafbaren Umtriebe von Mitgliedern türkischer Sicherheitsbehörden in Deutschland hat sich erst geändert, als bekannt wurde, dass der Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, Hakan Fidan, dem Präsidenten des BND, Bruno Kahl, im Februar 2017 eine umfassende Liste vermeintlicher Gülen-Anhänger übergeben hat, die neben höchstpersönlichen Informationen auch Observationsfotos umfasste, die nur aus Spionagetätigkeit des MIT in Deutschland stammen konnten.

Seitens der Verteidigung wird darauf hingewiesen, dass solche Tätigkeiten des türkischen Geheimdienstes seit Jahrzehnten gang und gäbe sind und sich weder das BKA, noch der Generalbundesanwalt daran gestört haben. Ausspähziel dieser bekannten Aktivitäten des MIT waren bis vor kurzem fast ausschließlich in Deutschland lebende kurdische und kommunistische Oppositionelle. Das aktuelle Vorgehen im Falle der Gülen-Anhänger, aber auch die Übermittlung des genannten Polizeiberichts mit geheimdienstlichen Informationen im Verfahren gegen die TKP/ML, zeigt die bisherige Offenheit und Selbstverständlichkeit einer ausgesprochen zweifelhaften geheimdienstlichen Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Deutschland. Es muss davon ausgegangen werden, dass diese Agententätigkeit in Bezug auf das Ausspähen der kurdischen und kommunistischen Oppositionellen weiterhin stillschweigend geduldet wird und diese Erkenntnisse sogar von deutschen Strafverfolgungsbehörden verwendet werden.

Die Verteidigung in dem Münchener Kommunistenverfahren nimmt dies zum Anlass und hat heute Strafanzeige beim Generalbundesanwalt wegen Anfangsverdachtes einer geheimdienstlichen Agententätigkeit erstattet.

„Es kann nicht sein, dass Spitzeltätigkeiten türkischer Sicherheitsbehörden gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger skandalisiert werden; wenn sie sich gegen Linke oder Kurden richten, diese aber nicht nur gedulde, sondern die Ergebnisse sogar als Beweismittel verwertet werden“, erklärt Dr. Peer Stolle, der eine Nürnberger Ärztin in dem Verfahren verteidigt und einer der Anzeigenerstatter ist.

Für weitere Informationen

Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle (stolle@dka-kanzlei.de)

www.tkpml-prozess-129b.de