Presseerklärung der Verteidigung Erhan Aktürk:
Ein weiterer Haftbefehl im Münchner Kommunistenverfahren außer Vollzug gesetzt – noch drei Angeklagte in Untersuchungshaft.
Am heutigen Tag wurde ein weiterer Haftbefehl gegen einen der Angeklagten im Münchner Kommunistenprozess außer Vollzug gesetzt; Erhan Aktürk wurde daraufhin frei gelassen!
Wir freuen uns über Erhan Aktürks Freilassung nach mehr als 3 ½ Jahren Untersuchungshaft. Die Untersuchungshaft wurde in der Anfangszeit unter Isolationshaftbedingungen durchgeführt, die nach den Kriterien von amnesty international (ai) als bedenklich im Sinne des Art. 3 EMRK zu beurteilen sind. Erhan Aktürk wurde in einen völlig geräumten Zellentrakt, mit eigenem Zugang zu einer Fläche, die zum „Hofgang“ genutzt wurde, inhaftiert. In diesem Trakt – für derartige Unterbringungen von Gefangenen wird die Bezeichnung „toter Trakt“ verwendet – war er für 23 Stunden in der Zelle eingeschlossen und von allen sozialen Kontakten abgesondert. Diese konkrete Art der Gestaltung der U-Haft kann als „Isolationsfolter“ bezeichnet werden.
Mit der Entlassung von Erhan Aktürk befinden sich nun sieben der zehn Angeklagten in Freiheit. Immer noch inhaftiert sind Müslüm Elma, Deniz Pektas und Seyit Ali Ugur.
Mit der heutigen Freilassung kommt der Senat einer immer wieder gestellten Forderung der Verteidigung, die Haftbefehle aufzuheben, zum Teil nach. Den Angeklagten wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gem. § 129b StGB vorgeworfen. Sie sollen Mitglieder im Auslandskomitee der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) gewesen sein. Konkrete Straftaten in Deutschland werden weder den Angeklagten noch der Organisation vorgeworfen. Das Verfahren wurde und wird von vielen Seiten kritisiert und als “Auftragsarbeit für Erdogan” bewertet. Die heutige Freilassung ist ein Erfolg der Verteidigung, die seit Beginn der Hauptverhandlung die erhobenen Vorwürfe und die Art und Weise der Ermittlungen angreift. Die Verteidiger von Erhan Aktürk, Berthold Fresenius und Alexander Hoffmann erklären dazu: “Natürlich freuen wir uns, dass unser Mandant aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Trotzdem bleiben die lange Dauer der bisherigen Haft, die extremen Haftbedingungen und der Anklagevorwurf ein Skandal. Wir fordern die sofortige Freilassung von Müslüm Elma, Deniz Pektas und Seyit Ali Ugur. Das Strafverfahren gegen die Angeklagten muss eingestellt, die Verfolgungsermächtigung des Justizministeriums muss zurückgenommen werden. Die Zusammenarbeit deutscher Behörden mit den türkischen Behörden, insbesondere der türkischen Justiz und Polizei, ist nicht hinzunehmen. Willkür und Folter prägen die türkischen Behörden. Der deutsche Staat nutzt die diktatorischen Verhältnisse in der Türkei um seine außen- und innenpolitischen Interessen durchzusetzen. Das muss ein Ende haben!”